Angststörungen
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Angst ist ein wichtiger Affekt, da sie uns dabei unterstützt, Gefahren und Bedrohungen wahrzunehmen, sie zu bewältigen und zu vermeiden. Allerdings gibt es auch übersteigerte Formen der Angst mit Krankheitswert. Angststörungen beschreiben eine Gruppe von Störungen, die sich in exzessiven Angstreaktionen äußern, jedoch ohne, dass akute Gefahren oder Bedrohungen vorliegen. Sie gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in der Normalbevölkerung. Am weitesten verbreitet sind die phobischen Störungen, die die Angst auf ein spezifisches Objekt oder eine Situation lenken. Phobien können unterteilt werden in die Agoraphobie (Angst vor öffentlichen Plätzen Menschen, Alleinreisen), die soziale Phobie (Angst, in zwischenmenschlichen Situationen im Mittelpunkt zu stehen und negativ bewertet zu werden) und die spezifische Phobie (Angst vor bestimmten Orten oder Situationen, wie z.B. Spinnen). Davon zu unterscheiden sind Angststörungen ohne spezifisches Angstobjekt wie die Panikstörung, die wiederholt auftretende, nicht vorhersehbare Panikattacken mit sich bringt; oder die generalisierte Angststörung, die sich in einer chronischen Form von Sorgen und Ängsten vor möglichen Risiken äußert. In 30 bis 80 % der Fälle bleibt es nicht bei einer Form der Angststörung. Zusätzlich liegt dann die Diagnose von mindestens einer weiteren Angststörung vor, häufig kommen auch Depressionen oder Suchterkrankungen vor. Generell können Ängste im Rahmen anderer psychischer Störungen, aber auch körperlicher Erkrankungen auftreten, wie z.B. bei Herz-Kreislauf- oder Lungenerkrankungen. Oft wird die Diagnose einer Angststörung erst nach vielen Jahren gestellt, sodass es zu einer Chronifizierung kommt. Frauen sind insgesamt etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Je nach Form der Störung tritt diese in unterschiedlichen Altersklassen zum erstmal Mal auf, z.B. spezifische Phobien meistens schon im Kindesalter, soziale Phobien eher während der Adoleszenz. Ab dem 45. Lebensjahr wird ein erstmaliges Auftreten einer Angststörung unwahrscheinlicher.
Symptomatik
Eine phobische Angst äußert sich in einer anhaltenden und intensiven Angst vor einem bestimmten Objekt oder einer Situation, wodurch eine entsprechende Angstreaktion hervorgerufen wird. Die betroffene Person erträgt die entsprechende Situation unter dem intensivem Angsterleben oder vermeidet sie, wenn möglich, völlig. Dadurch kann die Lebensführung erheblich beeinträchtigt werden. Die Person leidet unter der Angst und ihr ist bewusst, dass die Reaktion übertrieben und unbegründet ist. Die Lebensführung kann erheblich beeinträchtigt sein aufgrund von persönlichen, aber auch psychosozialen Folgen. Betroffene erleiden häufig einen Einbruch des Selbstwerterlebens. Außerdem geht eine Angsterkrankung mit einem erhöhten Suizidrisiko einher. Generell spielt bei dieser Art von Störung die „Angst vor der Angst“ eine Rolle, also der Reaktion in einer gefürchteten Situation. Zusätzlich besteht eine Neigung zur verstärkten körperlichen Selbstbeobachtung sowie eine gedankliche Überbewertung möglicher Gefahren der Auslösesituation bzw. der eigenen Reaktion darauf. Die Panikstörung ist dagegen durch Zustände psychovegetativer Erregung gekennzeichnet, wobei diese aus dem Nichts auftritt und dann auch nach 30-60min wieder nachlässt. Eine generalisierte Angststörung ist durch die Symptomatik von situationsübergreifenden Ängsten und Sorgen charakterisiert.
Körperliche Symptome und Folgeerscheinungen
Insbesondere Panikattacken, also episodisch auftretende Angstanfälle im Rahmen einer Panikstörung oder Agoraphobie, zeigen eine ausgeprägte körperliche Begleitsymptomatik. Beispiele dafür sind Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, Gefühl von Atemnot, Beklemmung in der Brust, Übelkeit, Schwindel oder eine Angst zu sterben. Diese können akute Bedrohungsgefühle auslösen und werden zunächst häufig als Zeichen für eine körperliche Erkrankung gedeutet. Auch im Rahmen der sozialen Phobie zeigen sich in zwischenmenschlichen Interaktionen am häufigsten körperliche Symptome, wodurch die Angst deswegen negativ bewertet zu werden, noch weiter steigt. Eine generalisierte Angststörung dagegen ist mit einer permanenten psychischen Anspannung verbunden, die auch Beschwerden auf körperlicher Ebene auslösen kann, wie z.B. Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden oder Schlafstörungen.
Psychologische und biologische Faktoren
Als am ehesten geeignet erweist sich eine Erklärung durch das Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Zunächst haben genetische Faktoren einen Einfluss auf die Entstehung einer erhöhten Angstanfälligkeit. Allerdings ist unklar, ob durch bestimmte Gene eine spezielle Angststörung entstehen kann. Weitere Faktoren können bestimmte Lern- und Erziehungsfaktoren oder der eigene Persönlichkeitsstil sein. In manchen Fällen spielen außerdem traumatische Ereignisse in der Entstehung einer spezifischen Angstreaktion eine Rolle. Bei weniger spezifischen Angststörungen, wie der generalisierten Angststörung oder der sozialen Phobie, kann allerdings angenommen werden, dass sich zunächst Belastungsfaktoren häufen und erst unter bestimmten Umweltbedingungen zur Entstehung der Angstsymptomatik führen. Dies können z.B. eine akute Überforderung, eine körperliche Erkrankung oder auch Drogeneinflüsse sein. Geht die betroffene Person ungünstig mit der auftretenden Angst um bzw. unterschätzt die eigenen Bewältigungsfähigkeiten, kann dies die Angst aufrechterhalten. Insbesondere das Vermeidungsverhalten spielt hier eine Rolle, da es langfristig zu einer immer stärker werdenden Angst führt.
Behandlung
Eine späte Diagnose und die dann bereits entstandene Chronifizierung kann die Therapie erschweren. Mit einer geeigneten Therapie zeigen die Angststörungen aber eine günstige Prognose. Stationäre Aufenthalte sind v.a. notwendig, wenn gleichzeitig eine depressive Erkrankung vorliegt, die Person massiv psychosozial und familiär belastet ist oder eine ambulante Behandlung keine Wirkung gezeigt hat. Im Bereich der Psychotherapie haben sich vor allem psychodynamische und insb. kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren wie Exposition, kognitive und Entspannungsverfahren als wichtige Bausteine erwiesen. Kurzfristige Effekte sind besonders für Phobien und die Panikstörung nachgewiesen. Bei komplexen und langandauernden Verläufen oder bei entsprechender Krankheitsschwere kann auch eine medikamentöse Behandlungsoption erwogen werden.